Kleine Bibliotheken gibt es nicht nur in Canada, USA oder in Deutschland. Sie gibt es weltweit, so auch im Baltikum. In den Ländern Litauen, Lettland und Estland stolperten wir zufällig auf Reisen über einige Littlefreelibraries.
So fanden wir sehr versteckt im Hof der Litauischen technischen Bibliothek in Vilnius eine in einer Mauernische eingerichtete kleine Bibliothek, die uns sehr erfreut hat (s. Titelbild). In Tallinn, der Hauptstadt von Estland war sogar eine große Tausch- und Entleihbibliothek mitten auf dem Marktplatz eingerichtet worden, mitten in Blumenrabatten und Sitzgelegenheiten. Leider gab es dort nur sehr wenige Bücher (s. Bild).
Die Saison vorüber war auch am Usma-See in Lettland. Dort waren alle Bücher fort! Schade, dass wir nichts zum Hineinlegen hatten bzw. die Koffer schon im Auto waren. Sehr beeindruckend, dass die Regeln der Bibliothek nicht nur auf lettisch, sondern auch auf englisch an der Bibliothek angebracht worden sind. Im Baltikum ist diese zweisprachigkeit, z.T. drittsprachigkeit selbstverständlich!
Auch auf der Rückfahrt über Ventspils nach Klaipeda und danach mit der Fähre nach Travemünde stießen wir auf eine Littlefreelibrary. Diese, auf dem Marktplatz in Ventspils befindlich, war voll mit lettischen Büchern (s.u.). Wir haben nicht extra gesucht. Dies waren nur die kleinen Bibliotheken, über die wir zufällig gestolpert sind.
Käthe, unsere durch Neuseeland, Australien und Japan reisende Buchhändlerin, hat mich im Februar mit einem Foto von einem Denkmal vor der Bibliothek von Devonport in Neuseeland überrascht. Das Denkmal ist Benjamin, der langjährigen Bibliothekskatze von Devonport gewidmet, der am 27. Januar 2017 im Alter von 17 Jahren verstorben ist. 200 Menschen begleiteten ihn auf seiner letzten Reise. Ich kann nicht anders, ich muß die Geschichte von Benjamin und dem Denkmal erzählen:
15 Jahre lang war also die Devonport Library das Zuhause von Benjamin. Aber wie kam es dazu, das die Devonport Library eine eigene Katze bekam? Dazu erzählte Anne Buchholz, „Benjamin’s main caregiver“ und Bibliothekarin, im neuseeländischen Rundfunk am 9. Febr. 2017 einiges (das Video binde ich am Ende des Artikels zum Nachhören ein, engl.):
Benjamin war kein Streuner, sondern hatte ein perfektes Zuhause, aber es kam ihm in den Sinn, die Bibliothek als sein neues Heim zu betrachten. Im Altbau konnte er nicht über Nacht bleiben, deswegen hielt er sich draußen im kleinen Park (Windsor Reserve) auf und terrorisierte jeden Hund, der vorbei kam. Als die Bibliothek wieder öffnete, versuchte Benjamin hinein zu kommen, letztendlich gelang ihm das am Besten durch die Hintertür. Dort fütterten ihn die Bibliothekarinnen auch. Die Besitzer wandten sich an die Bibliothek mit den Worten: „Bei uns bleibt er nicht, würdet ihr ihn übernehmen?“ Und die Bibliothekarinnen sagten „Ja, klar“ So begann Benjamins offizieller Job als Bibliothekskatze, eine Tätigkeit, die er bis zu seinem Lebensende unermüdlich ausübte.
Im Neubau bekam die Benjamin sogar eine eigene Katzenklappe. Die Devonport Library war quasi das letzte Werk vom berühmten Architekten Sir Ian Athfield, der zwei Wochen vor der Eröffnung starb und leider nicht mehr erleben konnte, wie Benjamin das neue Bibliotheksgebäude in Beschlag nehmen konnte. Nun durfte Benjamin auch die Nächte in der Bibliothek verbringen, allerdings nur im Personalbereich. Am Tag, wie zahlreiche Fotos und Berichte belegen, stand ihm die ganze Bibliothek zur Verfügung. „Er konnte kommen und gehen, wie es ihm gefiel“, schrieb die Public Libraries News. Meistens suchte er sich ein sonniges Eckchen, um zu schlafen. Besonders liebte er die Sitzsäcke im Teenagerbereich. Aber er war auch oft in der Straße unterwegs, in den Cafés, in der Bank und in der Apotheke. Oft hielt er den ganzen Verkehr auf, wenn er gelassen zum Pub oder Fish & Chips Laden über die Straße schlenderte. Alle Anwohner kannten ihn.
So wurde Benjamin, die Bibliothekskatze, zu einer kleinen Berühmtheit. Es kamen Menschen extra in die Bibliothek, um ihn zu fotografieren. Anna Buchholz erzählt, wie sie sogar ein Paar aus Texas dort antraf, die extra einen Umweg gemacht hatten, um auf ihrer Tour durch Neuseeland auch Benjamin zu treffen. Es gab sogar Touristen, die immer wieder kamen, um Benjamin wiederzutreffen oder sich nach seinem Befinden zu erkundigen.
Die Skulptur, die an Benjamin erinnert, ist heute realisiert. Aber wie kamen die Leute in Devonport auf die Idee, für ihre Bibliothekskatze ein Denkmal zu errichten? Die Bibliothekarinnen in Devonport würden sagen, wer Benjamin kannte, hätte diese Frage nicht gestellt! Es traf sich gut, dass die Bibliothekarin Fiona Startup gelernte Bildhauerin ist. Auf Anregung Ihrer Tochter machte sie sich an die Arbeit und erste Entwürfe entstanden. Es sollte eine etwa 1m große Bronzestatue neben dem Bibliothekseingang aufgestellt werden. Aber woher die berechneten Kosten von 25.000 NZ-Dollar nehmen? Nachdem sich die Kosten auf 10.000 Dollar aufgrund eines großzügigen Angebots gesenkt hatten, mußten diese aber immer noch mit Spenden und Crowdfunding aufgetrieben werden. Auch das gelang. Leider ließ sich nicht herausfinden, wann die Skulptur von Benjamin aufgestellt worden ist. Aber wie Käthes Foto beweist, ist das Denkmal für Benjamin, die Bibliothekskatze, sehr gelungen.
Lt. einem Zeitungsbericht des New Zealand Herald starb Benjamin, weil er von einem Auto überfahren wurde. Er wurde 17 Jahre alt. Nicht nur wegen des Denkmals bleibt er für die Menschen in Devonport NZ unvergessen. Im Grunde genommen sollte jede öffentliche Bibliothek auch eine Bibliothekskatze haben, oder?
Wie versprochen, nun das Interview mit Anne Buchholz über Benjamin, auf youtube (in engl.):
Wir kümmern uns nicht nur um unsere eigene kleine littlefreelibrary. Um etwas mehr Auswahl und Abwechslung zu schaffen, tauschen wir die Bücher mit anderen freien Bibliotheken bzw. offenen Bücherschränken aus. Dazu gehört der riesige Bücherschrank in den Franck. Stiftungen, die kleine Praxisbibliothek in der Geiststraße, aber auch die littlefreelibrary gegenüber dem Kreuzvorwerk oder der Bücherschrank in der Talstraße (alles in Halle).
Aber die nächstgelegende freie Bibliothek, die wir mit bestücken, ist natürlich der große Bücherschrank in den Kolonnaden des Peißnitzhauses. Ins Gartenlokal des Peißnitzhauses kommen viele Gäste und was liegt näher, als hier ein kostenloses Angebot mit Büchern zu machen, die zum Mitnehmen sind, aber zu denen sich auch neue Bücher hinzugesellen können, wenn diese mitgebracht werden. Denn die Regel für den Bücherschrank im Peißnitzhaus gilt natürlich auch: Nimm ein Buch, bring ein Buch! Gerne darfst Du natürlich auch mal 2 oder 3 Bücher mitnehmen, wenn sie Dir gefallen, aber rucksackweise natürlich nicht. Das darf nur ich, wenn ich nämlich Bücher ergänze.
Die Buch- und Lesegemeinschaft hat den schönen Brauch am Ende des Jahres oder am Anfang des nächsten aufzuführen, welche Bücher im Verlauf des Jahres gelesen worden sind. Gerne möchte ich das für 2023 auch einmal probieren. Dabei werde ich aber nur Werke aufführen, die mir gefielen bzw. die ich nicht abgebrochen habe.
Gelesen im Januar: Das erste Buch des Jahres war Amari von B.B. Alston, ein Jugendbuch, von dem ich gehofft hatte, dass es mehr Kinder lesen. Es ist ein Zaubererinnenabenteuer von einem schwarzen Mädchen, die nicht gerade priviligiert ist, wie viele Schwarze in den USA. Nun muß sich Amari obendrein in der Magierwelt durchbeissen, die voller priviligierter Menschen steckt. Es gibt inzwischen auch einen zweiten Teil!
Wir bleiben in der Fantasywelt, aber reisen nach Mittelerde zu Tolkiens „Der Untergang von Numenor“ bzw. „Der Chronik des zweiten Zeitalters“, die nach Quellen und Materialien zusammengestellt worden ist. Karten und Illustrationen von Allan Lee runden das Ganze ab. Mit Hilfe von Fragmenten aus dem Nachlass von Tolkien wurde chronologisch versucht, den Untergang von Westernis/Numenor zu rekonstruieren. Wer nach dem Lesen des „Herrn der Ringe“ mehr über die Vorgeschichte des Ringes und den Untergang der Menschen von Westernis, den Vorfahren von Aragorn (Streicher) erfahren möchte, ist hier gut bedient. Eher aber eine Sache für Fans.
Ich liebe die Musik von Joni Mitchell. Sie ist eine der Konstanten in meinem Leben. Malka Marom führte zwischen 1973 und 2012 mehrere Interviews mit der kanadischen Sängerin und Künstlerin und sehr ehrlich erzählt Joni darin von ihrem Leben, von ihrer großen Karriere, aber auch von ihren Niederlagen. Daraus entstand das Buch „Ich singe meine Sorgen und male mein Glück“ mit vielen darin enthaltenen Songtexten. Wie Jimi Hendrix war sie eher eine Musikerin, die andere Musiker beeinflußt, dennoch hatte Joni auch eine Zeit, in der sie in Fußballstadien und auf großen Bühnen auftrat. Sie machte wohl mit „Big Yellow Taxi“ eins der ersten Umweltthemalieder, schuf die Hymne eines Rockfestivals, auf dem sie nie war, und war für einen der meistgesehenen Weihnachtsfilme „Tatsächlich Liebe“ mitverantwortlich, in dem einer ihrer bekanntesten Songs mitvorkommt.
Es wurde Zeit für einen Krimi, immerhin haben wir im Wochenendhaus eine ganze Krimibibliothek. Die Wahl fiel auf „Bis zur Neige : Ein Fall für Berlin und Wien 2“ von Claus-Ulrich Bielefeld und Petra Hartlieb. Ein Edelwinzer in Österreich und ein Szenelokalbetreiber in Berlin, der den Wein des ersteren ausschenkte, werden ermordet. Berlin und Wien, bzw. Kommissar Bernhardt und Chefinspektorin Habel müssen wieder zusammenarbeiten, was nicht immer unproblematisch ist. Hier haben mich die Nebenhandlungen kaum gestört. Ich sollte noch einen weiteren Fall von den beiden lesen, es gibt inzwischen vier.
Gelesen im Februar: Im größten Frust (über unseren Mittelalterverein) erreichte mich ein Buch aus den USA von der Köchin und Historikerin Dr. Hélène Jawhara Piñer, die in dieser veröffentlichten Dissertation mit dem Titel „Jews, Food and Spain“ hauptsächlich das erste bekannte iberische Kochbuch auch bekannt als Kitāb al-Ṭabikh fī al-Maghrib wa al-Andalus fī ʽAṣr al-Muwaḥḥidīn, li-muʽallif majhūl untersucht. Am Ende ihres Buches steht der wundervolle Satz: „To eat is to remember“. Wir haben uns auch gleich das Kochbuch Sephardi von ihr bestellt.
Sephardi : Cooking the History. Recipes of the Jews of Spain and the Diaspora, from the 13th Century to Today. Das Kochbuch von Dr. Piñers ausprobierten sefardischen Rezepten aus hist. Kochbüchern wurde gelesen. Einiges wurde auch nachgekocht. Verraten sei schon, dass Piñer die Aubergine sehr liebt. Und es gibt auch einige Überraschungen, z. B. Mangold.
Mit Pantopia von Theresa Hannig wieder etwas belletristisches und fantastisches auf dem Lesetisch: Es ist der literarische Traum von einer besseren Welt, eine Utopie über eine Superintelligenz, die zum Wohle der Menschheit versucht die Macht zu übernehmen. Kann das gutgehen und wenn, wie? Mir hat das Buch jedenfalls sehr, sehr viel Hoffnung gemacht. Zur literarischen Qualität kann ich nur auf den aufgedruckten Preis verweisen. Den beiden jungen Programmierern Patricia und Henry gelingt bei einem Wettbewerb um die beste Trading-Software das Unmögliche: Sie erschaffen eine Superintelligenz, eine Künstliche Intelligenz, die Bewußtsein entwickelt. So ist die eigentliche Hauptperson des Romans eben diese neue und einmalige Species, die sich selbst „Einbug“ (Ein Fehler im Programm!) nennt, nach den ersten Worten, die sie begriffen hat. Nachdem es Patricia und Henry gelungen ist, Einbug vor dem Zugriff der Firma, für die sie das Programm entwickelt haben, zu retten, nimmt die KI das Schicksal selbst in die Hand und erfindet „Pandopia“, eine Weltrepublik, die auf den Menschenrechten und auf direkter Demokratie fußen soll. Die Bewohner nennen sich Archen und Einbug ist die erste Arche Pantopias. Und da Geld Macht ist und Einbug ursprünglich eine Trading-Software war, macht sich die Superintelligenz genau dies zunutze. Die Politik reagiert viel zu langsam, weiß die KI. Und um sein Ziel zu erreichen, müssen auch die engsten Freunde manipuliert und hinters Licht geführt werden. Es ist zu ihrem eigenen Nutzen. Eine BKA-Beamtin ist für Einbug nun wirklich kein wirklicher Endgegner. Nächste Station die Übernahme der Vereinten Nationen! Pantopie ist wirklich ein wunderschöner Traum!
Gelesen im März: Coomers „Rosinante oder die Liebe zum Meer“ ist schon etwas älter. Das Original unter dem Titel „Beachcombing for A Shipwrecked God“ ist von 1997, aber ich liebe dieses Buch. Rosinante oder auf engl. „Strandraub für einen schiffbrüchigen Gott“ ist einer meiner Lieblingsromane. Gefühlt sind die drei weiblichen Hauptpersonen Chloe (17), Charlotte (ca. 35) und Grace (75) den ganzen Roman auf der Flucht, um an der kanadischen Küste die Insel Prince Edward Island den fiktiven Schauplatz des Romans „Anne auf Green Gables“ zu erreichen. Beim zweiten Lesen stellte ich erschrocken fest, dass diese turbulente Reise nur einen kleinen Teil des Romans ausmacht und sich die Handlung rund um die drei Frauen und ihre Holzyacht, die sie zu ihrem Zuhause gemacht haben, sehr, sehr langsam entwickelt. Dabei läßt sich der Autor Joe Coomer viel Zeit, um die Eigenheiten und Schicksale der drei Frauen, die sich zufällig zusammen gerauft haben, zu entwickeln.
Sehr traurige Geschichten bietet Annette van den Berghs „Sehnsucht“. Das sind Geschichten, die mich sehr berührt haben. Annette und ihre schwarzen Kater kenne ich von Twitter. Nun bin ich bei bluesky und sehe von ihr leider nur noch selten etwas. Das ist sehr schade.
„Gallant“ von Victoria E. Schwab ist ein Roman, den ich in 1 ½ Tagen wie im Rausch durchgelesen habe und das ist doch das größte Lob, das einer Geschichte gemacht werden kann. Es sind 350 Seiten eines Gesamtkunstwerks aus Cover, wunderschön passenden Illustrationen und einer spannenden Story, die ganz ohne Effekthascherei und Schockeffekte zu fesseln weiß. Dabei beschränkt sich Schwab auf das Wesentliche und bis auf das Spiel mit den Tagebüchern der Mutter der Hauptperson reicht der Autorin ein einziger Erzählstrang. Oft ist die Spannung kaum auszuhalten. Und das Ende, das ich keinesfalls verraten möchte, rundet das Werk ab wie ein zartes Klavierspiel im Dämmerlicht.
„Das Buchmaultier von Córdoba“ von Wilfrid Lupano ist eine Graphic Novel. Die Vernichtung der Bibliotheken von Córdoba durch Al-Mansur, der sich dadurch eine Unterstützung der islamischen Geistlichkeit für seine geplanten Kriege erhoffte, wird beispielhaft durch die Figuren Tarid, Eunuch und Bibliothekar, der Kopistin Lubna (eine hist. Figur, beispielhaft für die 170 weiblichen Kopistinnen der Bibliothekeken der Kalifatshauptstadt), dem Dieb Marwan und eben dem Maultier, dass die wenigen geretteten Bücher tragen soll, erzählt. Am Ende wird diese kleine Gruppe inkl. der Bücher von unerwarteter Seite gerettet. Trotz einiger Schwächen, was hist. Kleidung etc. betrifft (besonders die Wikinger sind schlecht und was raucht die Wache auf den Mauern von Córdoba?), ein wundervolles Werk über einen Teil der Geschichte, das in Medien und Geschichtsunterricht viel zu kurz kommt: Die gezielte Vernichtung von Wissen durch Fanatiker und gewissenlose Politiker. Eine der besten und kürzesten Darstellung der Geschichte des islamischen Spaniens ist übrigens das Nachwort von Pascal Buresi im „Büchermaultier“ und das gibt es umsonst obendrauf. Selten so etwas Gutes über die Geschichte von Al Andalus gelesen wie diesen Text.
Novellen von Cervantes gelesen, darunter La española inglesa. Ich war sehr erstaunt, wie positiv er Elisabeth I. geschildert hat, erstaunlich, da E. I. in Spanien als „Ketzerkönigin“ galt.
Gelesen im April: Ich habe selten ein so spannendes Sachbuch wie „Lebendige Nacht“ gelesen. Nein, Lesen ist untertrieben, denn ich habe es verschlungen. Oft lege ich Sachbücher zur Seite, weil zu dröge. Manchmal lese ich auch nur die Abschnitte, die mich interessieren. Das war hier anders. Ganz anders! Bei Sophia Kimmigs Buch wurde aufgegessen und der Teller abgeschleckt. Was macht Kimmigs „Lebendige Nacht“ so lesenswert? Das liegt am Thema, denn die Biologin nimmt uns mit in die verborgene Welt der Tiere, d.h. es geht um das Leben von nachtaktiven Tieren. Sie erzählt, wie diese Nachtaktivität entstand, welche Formen sie beinhaltet und welche „Stars“ es im tierischen Nachtleben gibt.
In unserer bereits erwähnten Krimibibliothek fanden sich die „Hexergeschichten“ von Edgar Wallace in einer alten DDR-Ausgabe. Die sind sogar sehr gut und amüsant. Womöglich sind die Geschichten aber in eine lesenswerte Form übertragen worden.
Bleiben wir kriminalistisch. Reden wir nicht lange drum herum. Das Delikatessengeschäft der Heinleins, geführt in dritter Generation, hat schon bessere Tage erlebt. Auch Stephan Ludwig konnte mich mit seinem 13 Hallekrimi, Schröder und Zorn (nicht namentlich genannt, aber deutlich erkennbar) spielen nur am Rande mit, nicht vollkommen überzeugen. Vielleicht hätte er die künstlerische Gesamtkomposition noch einmal abschmecken sollen, bevor diese die Schriftstellerküche verließ?! Stellenweise, besonders beim ersten Gang, zeigte sich, was für ein hervorragender Autor Ludwig ist, aber schnell ist ein Restaurantstern weg, wenn der Nachtisch misslingt und die Gesamtkonzeption aus den Fugen gerät.
Mord gibt es auch in „Schwarze Kürbisse“ von Malika Ferdjoukh, ein wundervoller Roman in einem Landhaus in Frankreich spielend. Seitdem habe ich vor Familientreffen große Angst! Und es stand mir ja noch bevor! Hilfe!
April war wirklich Krimimonat! Weiter geht es mit Amy Achterops Amsterdamer Hausboot Detektei und ihrem ersten Fall, „Tödlicher Genuss“. Das ist ein Cozy Crime mit diversen und skurilen Ermittlerteam + Ermittlertieren, die mich überraschten, erfreuten und gut unterhielten.
Im Mai war Schluss mit Mord und Totschlag! Obwohl, bei griechischen Göttern, denen man im London des 21. Jahrhunderts begegnet, kann auch so einiges passieren. Denn Artemis holt den Göttern eine Putzfrau ins Haus, und plötzlich steht die Götter-WG Kopf. Marie Phillips „Götter ohne Manieren“ sind eine heitere, unanständige und turbulente Unterhaltung für Zwischendurch, sogar mit Happyend, wie ich mir aufgeschrieben habe. Das Buch habe ich übrigens aus unserer kleinen Gutsbibliothek, öffentlicher Bücherschrank bzw. Littlefreelibrary, gefischt.
Bei meiner Tochter lag der Erzählungsband „Mars“ von Asja Bekić herum. Das waren sehr beeindruckende SF-Geschichten außerhalb der Genre-Grenzen, kann ich sehr empfehlen.
„Mit Blick aufs Meer„ (engl.: Olive Kitteridge) von Elisabeth Strout hat mich ebenfalls sehr berührt. Die Kurzgeschichtensammlung, die sich als Roman tarnt, spielt in Maine, USA. Die Stories um die einsame, depressive und harsche Mathematiklehrerin Olive haben mich zum Teil sehr mitgenommen.
„Die Möwen von Fehmarn 1 : Mord am Südstrand“ von Rebecca Schulz konnten mich nicht ganz überzeugen, was aber eher an meiner Erwartungshaltung lag. Was sie auch immer über Möwen an Vorurteilen hatten, sie sind noch viel, viel schlimmer! Allerdings hat sich der mutmaßliche Tierkrimi im Verlauf der Handlung eher in eine beginnende Tierfantasyserie verwandelt, was interessant, aber nicht so ganz mein Geschmack war.
Gelesen wurde im Juni: Schwer beeindruckt hat mich Diane Setterfields „Die Dreizehnte Geschichte“, übersichtliches Personal, grandios, Bezüge zu Middlemarch (z.B. S. 305). Und der Schluss hat mich wirklich überrascht. Ganz, ganz großes Kino. Ein Buch, dass ich auch wieder aus der Littlefreelibrary gefischt und sofort geliebt habe. Und weil ich so verliebt war, folgte gleich darauf ein zweites Buch von Frau Setterfield und zwar:
„Was der Fluss erzählt“ Dieses Buch ist märchenhafter als „13 Tale“, hat mich aber nicht gleich gefesselt, es war eher Liebe auf den zweiten Blick. Wie die dreizehnte Geschichte ist es eine Art Kriminalfall, aber neben der Entführung eines Kindes und dem Auftauchen eines anderen Kindes in einer märchenhaften Nacht spielt der Fluss Themse oberhalb von Oxford die Hauptrolle und die liebevolle Zeichnung der Flussbewohner, fast schon tolkienhaft erzählt. Da ich auch ein Flußbewohner bin, habe ich diese Liebeserklärung zu schätzen gewußt.
Etwas für zwischendurch waren die Kurzkrimis „Abgründiges Ahrtal“ von Karin Joachim. Diese Autorin ist in der kurzen Form sogar noch besser als bei den langen Krimis, die sie über die Tatortfotografin Jana Vogt im Ahrteil spielend verfaßt hat.
Wir bleiben beim Thema Fluss: „Der Donaulimes, der mit 2000 km Länge von Bayern bis zur Donaumündung im Schwarzen Meer reicht, gehört seit 2021 zum UNESCO-Weltkulturerbe.“, schreibt der Verlag über sein Zeitschriften-Sonderheft in Buchform. Besonders haben mich die Artikel über das Alltagsleben der Flussbewohner im römischen Reich interessiert, z.B. „Marion Großmann – Zivilleben am Donaulimes“. Der römische Alltag in Carnuntum“ und natürlich Artikel über die damalige Flußschifffahrt.
Von der Donau nach Dublin: „Der Teufel von Dublin : Neue Father-Brown-Krimis“ von T. H. Lawrence kam natürlich nicht an das Original heran, war aber sehr unterhaltsam und lesenswert. Das Pater Brown fast zum Lieblingsheiligen kath. Verlage wird, hätte Gilbert Keith Chesterton sehr amüsiert.
Im Juli ging es in die Provence, zumindest literarisch. Maike Nielsen kannte ich bereits als Jugendbuchautorin, aber das war hier ein anderes Kaliber. Eine Anhalterin strandet in der Provence und lebt bei einer anderen Frau, sie verliebt sich in einen Artisten/Dachdecker, plötzlich bricht alles zusammen. Ihr Freund stirbt, die Gastgeberin, inzwischen ihre beste Freundin verschwindet, sie kehrt mit einem werd. Kind nach Hause zurück. Erst Jahre später trifft sie ihre Freundin wieder, die plötzlich eine ganz andere ist. Aber wer war die Frau wirklich? Der Roman hat mich traurig und nostalgisch gemacht, ging mir nicht alleine so. Von allen Buchpreisen unbeachtet, dabei wesentlich besser als unten „Ziplock“.
Enrique, der Hipster, kehrt nach Studium in Madrid und dem Bruch mit seiner Freundin Lina, nach La Cañada, seinem Heimatdorf zurück. Er kommt bei Tante und Onkel unter. Im Dorf leben fast nur noch alte Menschen wie in vielen spanischen Dörfern. Doch unser Hipster möchte sich nicht nur verkriechen, sondern vor Ort etwas auf die Beine stellen, gibt workshops, wird sogar Bürgermeister. Er kann die einzige junge Frau im Dorf, Lourdes, für sich gewinnen und fördert die örtliche Wirtschaft. Er verteidigt die Traditionen des Dorfes gegen kulturelle Aneignung von außen, kann einen Filmdreh ins Dorf holen und vertritt das ländliche (leere) Spanien sogar bei einer Klimakonferenz in Madrid, bei der es eine Entführung einer bekannten Klimaaktivistin gibt, um die sich der Hipster auch noch kümmern muß. Ruhiges Landleben war gestern, hier kommt der Hipster und sein Dorf in Teruel. Ich bin leicht zu begeistern, aber der Holzhammerhumor mit z.T. uralten Witzen war selbst mir manchmal zu viel. Da wurde kein Klischee ausgelassen, was andere spanische Regionen, katholische Kirchenmänner oder die Neofaschisten betraf. Nach dem tiefgründigen Roman von Nielsen hatte es Gascón eher schwer bei mir. Zudem kommen deutsche Leser mit der anekdotenhaften Form, seit Cervantes beliebt, der spanischen Romane nicht klar.
Die zweite Graphic Novel waren die „Gruftis“ von Léa Mazé. Und ich bin ein wenig verliebt. Es ist ein zeichnerisch und storymäßig gut gelungener Comic-Krimi in einem gruftimäßigen Ambiente, denn die beiden Hauptpersonen sind Kinder einer Bestatterfamilie, die ihre Firma und Wohnhaus direkt am Friedhof haben. Der Nachhauseweg der Zwillinge Celine und Colin von der Schule führt direkt über den Friedhof. Und natürlich werden sie in ihren Klassen gehänselt deswegen. Aber das ist nicht alles, denn auf dem Friedhof geschehen plötzlich merkwürdige Dinge.
Nur selten nehme ich von schönen Ausstellungen auch einen Ausstellungskatalog mit. Aber dieses Mal mußte es sein, da es auch ein Stück Familiengeschichte enthält. Die an zwei Orten in der Stadt gezeigte Ausstellung „Halle am Meer“ beinhaltete nämlich auch einen DDR-Kunstskandal von 1951, in dem eine Verwandte, die an der Burg Giebichenstein Studentin war, beteiligt war. So war auch ihr persönliches Fotoalbum in der Ausstellung. Ausstellung als Stück Familiengeschichte sozusagen.
Über Israel reden die Deutschen gerne. Ausgehend davon hat Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, mit „Über Israel reden : Eine deutsche Debatte“ ein Buch über die einzige Demokratie im Nahen Osten geschrieben. Mendel beginnt sein Buch sehr persönlich über seine Zeit in der israelischen Armee, über sein Studium in Deutschland und seine Desillusionierung, was Israel betrifft, durch die erneute Wahl von Benjamin Netanjahu und seine rechtsextremen Verbündeten. Mendel hat den Eindruck, dass Israel sich abschafft. Mendel wirft einen Blick darauf, wie wir Deutschen auf Israel schauen. Dabei läßt er auch Reizthemen wie den BDS-Streit (BDS = Boycott, Divestment and Sanctions („Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“)) nicht aus. Mendel bietet kein Patentrezept, er macht aber nachdenklich. Die Frage am Ende ist: „Wird es jemals möglich sein, hier in Deutschland eine sachliche Debatte über Israel zu führen?“ Mit diesem Buch sind wir in der Angelegenheit zumindest einen Schritt weiter.
Danach wurde ein DDR-Krimi von Claus Ulrich Wiesner, „Das Möwennest„, gelesen. Eine Liebeserklärung an Hiddensee und als Krimi auch gar nicht so schlecht gewesen. Das Buch fand ich in unserer Cottage-Krimibibliothek.
Im August ging es zurück nach Dublin und zwar zusammen mit Elia Evander, einer kindlichen magischen Agentin, um einigen Feen auf den Keks zu gehen. Anja Wagner ist mit „Magic Agents – In Dublin sind die Feen los!“ ganz eigene Wege gegangen, was das Genre der „Zaubererkinder“ betrifft. Spannend ist das Jugendbuch obendrein. So kann ich es mit besten Gewissen empfehlen. Allerdings spielt der 2. Teil in Prag und so sucht sich die Autorin anscheinend die touristischen Highlights unter den magischen Orten aus. Die Leser/innen sind darüber nicht erbost, sondern weiterhin sehr begeistert.
Wieder Krimizeit, ich erfuhr vom „Ostfriesenschwur“ von Klaus-Peter Wolf. Da verschickt jemand abgetrennte (Ostfriesen-) köpfe und wer darf dieses unappetitliche Rätsel wiede reinmal lösen, natürlich Ann Kathrin Klaasen und ihr Team, inzwischen auf Serienmorde spezialisiert. Dazu passt ein kräftiger Tee!
Wir bleiben bei Mord und Totschlag, reisen aber von Ostfriesland nach England: „Erased – Ein Charles Norcott-Roman“ von Jürgen Albers. Ich fand das Oxforder Ambiente herrlich und auch die Auflösung war überraschend, dazu köstliche Dialoge, absolut lesenswert.
Ein wunderschönes Jugendbuch, ein verrücktes Roadmovie um Liebe und Tod ist „Crazy Schmidt … und der krasseste Roadtrip meines Lebens“ von Hans-Jürgen Feldhaus. Das ist das Sommerbuch pur und ein Vergnügen zu lesen. Wenn ich mal schlechte Laune habe, nehme ich es wieder zur Hand.
St. John Mandels „Das Meer der endlosen Ruhe“ ließ mich dagegen ratlos zurück, ein seltsames Buch, wirkt wie aus einer Anomalie gefallen, sehr episodenhaft. Science Fiction, die keine sein will, ähnlich wie Cloud Atlas, doch die meisten Gedanken waren in den 70.ern bereits in SF-Stories besser verarbeitet worden. Dazu nur aus ihrer Oberemittelschichtsicht geschrieben. Immerhin von ihr gut konzepiert und schöne Auflösung.
„Gewässer im Ziplock“ von Dana Vowinckel war ein ebenso merkwürdiges Buch wie das oben erwähnte, aber auf andere Weise. Es ist eins der besten Jugendbücher, dass ich in letzter Zeit gelesen habe, ohne ein Jugendbuch sein zu wollen. Die Autorin braucht beim Verhältnis Juden/Deutsche nicht zu übertreiben oder zu verfremden. Schüsse auf eine Synagoge wie in Halle und das Erschießen von Passanten aus Wut auf Juden sind etwas, was sich Vowinckel nicht ausgedacht hat. Der deutsche Antisemitismus, aktuell sogar in einer Landesregierung (Bayern) vorhanden, ist etwas, was uns aktuell beschäftigt. Dabei malt die Autorin niemals schwarzweiß. Sie redet nicht um die Widersprüche und die Vielfältigkeiten herum. Sie beschreibt sie mit Augenzwinkern, manchmal auch mit Humor (Krabbenbrötchen), aber es hängt in den Augenwinkeln immer eine Träne. „Alles, was sie wollte, war, dass jemand sie schön fand.“ Jenseits, aller Identitäten, ist dieser Satz aus dem Roman die beste Zusammenfassung für „Gewässer im Ziplock“.
So lasen wir uns langsam in den September: Kaffeefassen ! Und zwar im „Magie und Milchschaum“ von Travis Baldree. Denn was machen Orkse im Ruhestand? Baldree, der selbst aussieht wie ein Hobbit, erzählt von der unerschrockenen Ork-Kriegerin Viv, die das Schwert „Schwarzblut“ an den Nagel hängt, und im Hafenort Thune ein Café eröffnet. Das einzige Problem ist, dass Kaffee in der Welt, in der Viv lebt, nahezu unbekannt ist. Und das ist nicht das einzige Problem, dass Viv hat, aber zum Glück findet sie mit dem Kobold Cal, dem Succubus Tandri und dem Bäcker Fingerhut u.a. neue Freunde. Und auch einige der Gäste packen tatkräftig mit zu, wenn es nötig ist. Und was hat es mit der gewaltigen Finsterkatze (65 kg!) auf sich, die kommt und geht, wie es ihr gefällt? Zudem gibt es alte und neue Feinde, denen das neue Glück von Viv nicht passt. Bleibt Viv an der Kaffeemaschine, von freundlichen Gnomen geliefert, oder greift sie erneut zum Schwert? Das ist übrigens auch eine ziemlich queere Liebesgeschichte.
Die „Lehrmeisterin“ von Frau Rowling und Herrn Gaiman war unzweifelhaft Diana Wynne Jones. Ich gebe aber zu, „Fauler Zauber“ ist zwar sehr humorvoll, aber nicht ihr bestes Werk. Geschäftemacher beuten eine Fantasywelt für Ihre Tourismusidee aus. Lassen es sich Zauberer, Drachen, Elfen usw. lange gefallen? Es wird zumindest sehr turbulent bis zum Schluss. Auch als Jugendbuchfantasy geeignet, überfordert aber interlektuell einige Erwachsene, wie ich bei der Durchsicht von Rez. bemerkte.
Weiter geht die Lesereise nach Canada: Ich war noch sehr begeistert von „Das Dorf in den roten Wäldern“, von Louise Penny, der erste Fall für Gamache. Die Reihe um das Dorf Three Pines geht wohl schon auf den 18. Band zu. Das Ambiente und das Personal super, die Auflösung weniger gut.
Zwischendurch noch einmal ein Kochbuch: „A Drizzle of Honey: The Life and Recipes of Spain’s Secret Jews“ von David M. Gitlitz und Linda Kay Davidson. Aufgrund der Kochgewohnheiten der verborgenen Juden Spaniens konnte die Inquisition diese aufspüren und aburteilen. Doch diese schrecklichen Vorgänge bewahrten die Rezepte und die Namen der Opfer. Die ursprüngliche Küche der sefardischen Juden ist damit rekonstruierbar und das ist der große Verdienst von Herrn Gitlitz und Frau Davidson.
„Die Insel der Tausend Leuchttürme“ von Walter Moers begleitete mich den weiteren September. Endlich wieder Verreisen mit Hildegunst von Mythenmetz. Dieser fährt zur Kur auf die Insel Eydernorn. Und Sie glauben doch nicht, dass danach noch ein Leuchtturm stehen bleibt, oder? Es wird auf jeden Fall wirder eine abenteuerliche Reise für den Dichterfürsten. Dieses Mal versuchte sich der Meister an einen Briefroman. Ob es ihm gelungen ist?
Über all den vielen Leuchtturmbesuchen wurde es Oktober: Es ging zuerst nach Berlin, in den 13. Bezirk der Stadt. Wieland Freunds fantastischer Berlin-Roman „Dreizehnfurcht“ war ein einzigartiges Lesevergnügen, an dem ich im Grunde wenig zu bemängeln finde. Die Idee um „Dreizehneichen“ ist gut durchdacht, hervorragend und spannend umgesetzt und insgesamt ist alles rund und sauber herausgearbeitet. Lediglich das „große Finale“ kommt etwas plötzlich und mit dem Gefühl von „Wir reiten alle glücklich in den Sonnenuntergang“, aber warum nicht? Fast wirkt es wie eine Mahnung für den derzeitig regierenden Bürgermeister und sein Team, wohin nämlich sektiererische Rückständigkeit und Beharren auf das Gestrige führen kann.
Kate Thompsons „Die Bibliothek der Hoffnung“ begleitete mich durch Schottland. Dieser Roman von der U-Bahn-Tunnelbibliothek im II. Weltkrieg, nach einer wahren Geschichte, ist eine einzigartige Liebeserklärung an alle Bibliothekarinnen und Bibliothekaren und anders, als das etwas kitschige Coverbild befürchten ließ, sogar sehr gut geschrieben und umgesetzt. Völlig entflammt bin ich von den vielen wundervollen Zitaten, die jedem Kapitel voran gestellt wurden. Draußen hinderte uns derweil der Sturm auf die Orkneys überzusetzen.
In Ullapool, Nordschottland, brauchte ich ein neues Buch und da der Besuch eines kleinen Buchladens allein schon ein Vergnügen ist, machte ein schönes Buch gleich noch mehr Spaß. Meine Wahl fiel nämlich und zum Glück auf Good Omens von Neil Gaiman und Terry Pratchett. Der teuflische Inhalt des Werkes ist schwer zu beschreiben, aber alles begann mit der Prophezeihung einer Hexe und mit dem Vertauschen von Babies im Krankenhaus. Oder noch früher? Egal, es gebt auch um Bücher und wenn der Weltuntergang zudem abgewendet wird, sind wir gleich noch glücklicher! Wickedly funny indeed!
Im November wurde gelesen: Zeit für ein weiteres Kochbuch und zwar „Yerevan : Die armenische Küche. Eine eindrucksvolle Reise durch Land und Kultur | Rezepte und Geschichten aus Armenien“ von Marianna Deinyan und Anna Aridzanjan. Ich freue mich schon darauf, einiges daraus zu kochen. Die Einführung machte schon großen Appetit. Wir sind eine Stadt mit einer armenischen Gemeinde und einem Sühnekreuz. Das verbindet und macht Lust auf mehr Yerevan!
Es war wieder Zeit für einen Krimi und gefesselt hat mich „Tief eingeschneit : Der zweite Fall für Gamache“ von Louise Penny. Fand ich sehr toll vom Ambiente und wieder war die Auflösung nicht sehr stimmig, aber was richtig nervte, war die Nebenhandlung mit einer Nebenfigur, die anscheinend die nächsten 100 Bände fortgeführt werden soll. Mein zweiter und letzter Gamache, es gibt noch so viele Krimis und ich möchte beim Lesen nicht genervt werden. Immerhin war ich nun gut auf den Winter vorbereitet.
„Fake History – Hartnäckige Mythen aus der Geschichte : 101 Dinge, die so nie passiert sind, aber alle für wahr halten“ von Jo Hedwig Teeuwisse. „The Fake History Hunter“, die ich von Twitter und Bluesky kenne, „entlarvt in diesem Buch 101 der weitverbreitesten Mythen über historische Tatsachen und stattet uns so mit dem nötigen Rüstzeug aus, um vor unseren Freunden mit geschichtlichem Wissen zu glänzen und Geschichtsfälschungen zu erkennen und zu korrigieren, wo immer wir ihnen begegnen.“ Das macht sie mit großen Humor, großer Sachkenntnis und einem Bekenntnis zum Weihnachtsmann bzw. Santa Claus. Ich war begeistert.
Ich habe neuerdings einen japanischen Schwiegersohn, aber zum „Restaurant der verlorenen Rezepte“ von Hisashi Kashiwai kam ich nicht über ihn, obwohl Schwiegersohn auch etwas mit Kochen und Essen zu tun hat. Das Buch hat mich sehr glücklich gemacht, trotz einige erzählerischer Schwächen. Nagare und seine zwanzigjährige Tochter Koishi betreiben ein ganz besonderes Restaurant in Kyoto. Denn eigentlich ist es eine geheime Detektei, von der aus der ehemalige Kriminalbeamte Nagara Rezepte sucht, an die sich seine Klienten nur noch mit Mühe erinnern können und mit denen sie etwas verbindet. Essen ist Erinnerung, da haben wir es wieder!
Von Kyoto nach Amsterdam, Lesen ist auch Reisen: „Die Hausboot-Detektei 2 – Tödlicher Grund“ von Amy Achterop war wieder sehr cosy, auch wenn dieses Mal ein Mitglied des Teams unter Verdacht geriet. „Mit der Rohstoffgewinnung im Ozean lässt sich viel Geld machen. Und zwar auf Kosten der Umwelt. Finden die Detektive gar nicht gut, und so wird das Aufklären dieses Todesfalls zur wahren Herzensangelegenheit.“ Ich habe mich jedenfalls köstlich amüsiert und liebe alles diesem chaotischen Team. Wäre übrigens auch als Jugendkrimi geeignet.
So ein bißchen Reisenachbereitung erfolgte mit dem Buch von „The Art of Coorie“ von Gabriella Bennett, auch optisch ein sehr schönes Buch und mit einer eigenen Playlist von Songs auf Spotify ausgestattet. Wenn schon einige Magazine Coorie als Nachfolger von Hygge, der dänischen Gemütlichkeit, preisen, kann ich nur warnen. Coorie ist nicht nur Lifestyle, zu Coorie gehört die schottische Landschaft, das schottische Essen/Trinken (Hicks!) und die schottische Sprache dazu, Aye! Nicht so einfach nach Kleinkleckersdorf im Sauerland zu übertragen, denke ich.
Es ging auf Weihnachten zu und so machte mir der zweite Ostfriesenwolf mit dem Titel „Der Weihnachtsmannkiller“ einen großen Spaß. Klaus-Peter Wolf hat damit eine winterliche Parodie seiner Serienkillerserie „Ostfriesendingsbums“ geschrieben. Ann Kathrin Klaasen und ihrem Team durften sich ausnahmsweise bei Glühwein und Plätzchen heiter auf die Serienmörderjagd begeben. Endlich einmal ein gelungenes Weihnachts-/Neujahrsspezial von einem deutschen Autor. Bitte nicht im Sommer aufn Deich lesen!
Passenderweise wurde es nun Dezember: Vorgelesen wurde jeden Tag aus den „Adventskätzchen“, eine Sammlung von Geschichten mit Rahmenhandlung von z.T. hochkarätigen Autoren wie Margaret Atwood, Haruki Murakami, Patricia Highsmith oder Kurt Tucholsky. Besonders gut hat uns die Krimigeschichte aus Schottland mit dem „Killerkater“ von Ann Granger gefallen.
Ich kränkelte kurz vor Weihnachten etwas herum, kein Covid, aber es halfen mir einige leichte Lektüren dabei über den Berg. Gefallen hat dabei Carlo Feber mit seinem „toten Champagner-Präsidenten“, Cédric Bressons erster Fall. Cédric ist aus dem Polizeidienst ausgeschieden, dennoch zwingt ihn das Innenministerium zusammen mit der örtlichen Polizei in einem Mordfall zu ermitteln. Kann das gutgehen, denn es wird ein Baby erwartet und da ist ja auch noch das Weingut…
Und wie gesagt, dies sind nur die 55 Bücher, die mir gefallen bzw. die ich nicht abgebrochen habe. Da ich zum Vergnügen lese, verwundert es nicht, das 80 % davon Belletristik waren, aber immerhin noch 20 % Sachbücher, davon in diesem Jahr 3 neue Kochbücher. Deutsche Originale waren von den 55 Bücher immerhin 40 %. Ich habe aber auch 5 Bücher in einer fremden Sprache, engl., gelesen. Gelesen wurden 2 wunderschöne Graphic Novels. Von allen gel. Büchern waren 27 % Krimis, 23 % Fantasy und nur 4 % Science Fiction.
Jetzt freue ich mich auf das neue Lesejahr 2024! Euer Bibliothekar der freien Gutsbibliothek
Ja, warum eigentlich nicht? Ich liebe Bücher, ich lebe mit Büchern, ich lese Bücher, ich habe sogar schon mal Bücher geschrieben. Ich arbeite in einer Bibliothek, in meiner Freizeit betreue ich drei kleine Bibliotheken und wir besitzen sogar im Cottage eine eigene Krimibibliothek. Zudem lebe ich keine Stunde von der (Leipziger) Buchmesse entfernt. Und trotzdem läßt mich die Buchmesse kalt. Warum aber kann mich das Buchfest in den Messehallen nicht locken? Einige persönliche Notizen:
Ja, ich weiß, wovon ich rede. Ich bin früher auf die Buchmesse gefahren. Das tat ich privat und auch einige Male als Journalist für eine Online-Zeitung. Ich weiß, wovon ich rede. Und es ist eine private Entscheidung. Denn natürlich ist es ein tolles Bücherfest und besonders die phantasievolle Welt der Cosplayer und der Mangas bringt viel Farbe auf die Messe. Schon dafür lohnt es sich, dorthin zu fahren. Auch wenn es eine Zeitlang schien, dass die Cosplayer gar nicht auf der Buchmesse erwünscht wären. Das hat sich zum Glück geändert (Hoffentlich bleibt das so). Warum fahre ich also nicht zur Buchmesse?
Grund 1: Nie ist man so allein wie unter vielen Menschen! Nicht falsch verstehen. Der Erfolg einer Messe liest sich auch von der Anzahl der Besucher ab und es gibt auch ein wundervolles Begleitprogramm wie „Leipzig liest“ oder „Halle liest mit“. Es ist also schön, dass sich so viele Menschen auf der Buchmesse drängeln. Aber mich tötet es! Wenn ich kein festes Programm habe oder mich dort mit Menschen treffen möchte, fahre ich nicht mehr zur Buchmesse. Denn die Ruhe, Zeit und Gelegenheit zwischen Büchern zu schlendern, etwas Neues zu entdecken und Gespräche zu führen, fand ich nur höchst selten. Irgendwann nervte mich das Geschiebe in den Gängen und das Geschupse einfach nur noch. Von den vollen S-Bahnen zur Messe und zurück möchte ich lieber schweigen. Und die Corona-Gefahr besteht in Menschenansammlungen (und nicht nur dort) immer noch. Zudem mag ich es ohnehin nicht, wenn mir wildfremde Menschen zu nahe kommen. Aber es nicht nur dieser Stress, den ich erleide, der mich fern hält:
Grund 2: Überfluß tötet! Schlendern und Entdecken geht also schon wegen der vielen Menschen schlecht. Es ist aber auch einfach zu viel da. Das soll kein Vorwurf sein. Es ist toll. Aber nichts für mich. Mich tötet der Überfluss. Ich entdecke viel zu viel, stecke mir die Tasche voller Prospekte und Ankündigungen (Von denen ich keine jemals wieder anschaue, so ist zu vermuten) und gehe am Ende völlig wirr im Kopf nach Hause. Äußerst selten habe ich ein dort entdecktes Buch gekauft. Einen Plan machen? Ja, kann ich machen, aber in dem Fall weiß ich schon, was ich möchte und brauche nicht mehr zur Buchmesse zu fahren, oder? Und Autoren lese ich auch lieber, als sie in real zu treffen (s. Grund 4).
Grund 3: Viel Mediengetue, wenig Bücher! Natürlich gibt es viele Bücher, aber in der Kuppelhalle dominieren Fernsehsender und Zeitungen. Es gibt Lesungen, Interviews, ganze Sendungen werden hier für die Außenwelt produziert. Es ist eine Inszenierung der Buchmesse. Die Show möchte ich auch nicht kritisieren. Vermarktung ist wichtig. Wenn ich mir auch wünschen würde, dass nicht nur die Stars umschwärmt werden, sondern etwas für die kleinen Verlage und Autoren getan wird. Auch auf der Buchmesse gilt, wer am lautesten schreit, gewinnt. Leider kann man dabei nicht lesen…
Grund 4: Lesungen sind manchmal echt fürchterlich! Es ist besser geworden, auf jeden Fall. Viele Autor/innen sind inzwischen zu halben Entertainern geworden. Es gibt auch viele Entdeckungen, die ich nicht missen möchte, z.B. den „Leipziger Lesekompass“, eine tolle Sache. Das ist ein Preis aus dem Kinder- und Jugendbuchbereich, der von Kindern und Jugendlichen vergeben wird. Mir gefällt, dass neben Kinderjury in der Erwachsenenjury auch eine Bibliothekarin bewertet. Bei Literaturpreisen sind Bibliothekar/innen oft nur selten zu finden, so meine Stichproben. Aber die Ergebnisse des Lesekompass, sofern ich nicht darüber berichten möchte, schaue ich mir lieber online an. Es gab bereits einige Male, da mich Autor/innenlesungen eher vom Kauf des Buches abgeschreckt haben, da ich merkte, wie unsympathisch die Autorin/ der Autor mir waren. Von der/dem soll ich etwas lesen? Ich muß gar nichts! Es fällt mir nach einer gelungenen/mißlungenen Vermarktungsshow schwer, das Werk/Buch noch vorurteilsfrei zu betrachten. So hat es mir eine Zeitlang die wunderschönen Gedichte von Sarah Kirsch verleidet, weil ich Frau Kirsch als verbitterte und völlig uncharmante Frau im Goetheinstitut in Jerusalem kennengelernt habe. Ich weiß, Lesungen sind für viele Autoren ein zweites Standbein, um zu überleben. Ich persönlich brauche das Buch, liebe das Buch, Autor/in dürfen gerne privat bleiben, egal wie viele Katzen, Ehepartner, Pferde, Häuser sie sich halten und egal wo und wie. Und wer als Autor unbedingt heraushängen läßt, dass er Bibliotheken verachtet, wie es die „Fairlesen“-Initiative getan hat, braucht mich als Leser ohnehin nicht.
Grund 5: Ich muß keine Geschäfte machen! Ich kann, aber ich muß die Buchmesse nicht beruflich besuchen. Das ist ein großer Vorteil. Vielen kleinen Verlagen und Autor/innen, deren Besuch sich lohnen würde, tue ich damit Unrecht, ich weiß. Doch für mich ist die Buchmesse etwas, dass ich mit Interesse aus der Ferne betrachten kann. Und aus der Ferne besehen, ist vieles schön. Mein Job hängt davon schon lange nicht mehr ab. Im Gegenteil! Inzwischen hat sich der Börsenverein des Deutchen Buchhandels zusammen mit vielen Star-Autor/innen als Verachter/innen von Bibliotheken und Bildung geoutet (s. „Fairlesen“). Kurz: Es geht ums Geschäft. Das ist in Ordnung. Und es wurde deutlich zur Sprache gebracht. Aber dann jammert mich bitte nicht an! Denn ich bin kein Teil davon. Ich bin der Vielkäufer und Vielleser, den ihr damit verärgert habt und dem ihr klargemacht habt, dass er euch egal ist. Allerdings kann ich mir aussuchen, was und wen ich lese. Wenn Eure Neuheiten mich ankotzen, habe ich noch sehr, sehr viel „Altes“ zu lesen. Und ich liebe alles daran, denn ich bin nur ein einfacher „Booklover“ und bleibe deswegen Zuhause.
Eine schöne Buchmesse wünsche ich trotzdem.
Euer Bibliothekar der freien Gutsbibliothek, Text und alle Fotos von mir.
Ist Bloggen out?, hat neulich jemand bei Twitter gefragt und gemeint, wir könnten doch alle wieder mehr bloggen. Dem möchte ich mich anschließen. Ich habe diesen Blog viel zu lange brach gelassen. Der letzte Beitrag war über Lesekioske in Norwegen im Jahr 2021 (!!!). Asche auf mein Haupt. Dabei wäre so einiges zu erzählen gewesen. Das wäre schon einmal ein schöner Vorsatz für 2023, denkt ihr nicht auch.
Zum Beispiel sind dieses Jahr sehr viele neue Bücher hinzugekommen und sehr viele mitgenommen worden. So soll es sein. Ich freue mich, dass nicht nur alte Bücher oder „Zerlesenes“ bei uns ankommt, sondern mitunter auch recht aktuelle Literatur. Das freut mich sehr und hält den Bestand attraktiv. Allerdings kommt in unserer kleinen Bibliothek in der Regel mehr hinzu, als heraus geht. So sind einige Außenstellen entstanden, andere habe wir unberücksichtigt gelassen. Ich nehme mir vor, auch über einige gefundene Bücher etwas zu schreiben.
Als „Außenstellen“, eben erwähnt, sind zu nennen:
Die Krimibibliothek in unserem Ferienhaus in Thüringen, allerdings kann diese nur von Freunden und Familie genutzt werden.
Die kleine Praxisbibliothek in der Geiststraße, die inzwischen sehr gut besucht wird und die wir mit Büchern ständig neu ergänzen.
Neu hinzugekommen ist die Tauschbibliothek in den Franck. Stift., in die ich regelmäßig gerne Bücher bringe, wenn bei uns die Regale wieder überquellen.
Was war noch 2022 los? Wir haben schöne #Littlefreelibrarys in anderen Ländern bewundern dürfen, z.B. in Slowenia. Oder sahen in einer Kirche, die zu einer Stadtbibliothek umgebaut worden ist, eine mittelalterliche Trachtengruppe.
Kleine Bibliothek in Slowenien
Kleine Bibliothek in Norwegen
Aus einer Kirche wurde eine Bibliothek, Brandenburg, mit mittelalterlichen Menschen darin
Was steht 2023 an? Die Büchertauschaktionen mit den „Außenstellen“ müssen natürlich weitergehen und ausgebaut werden. Eine große Aktion ist die Renovierung unserer eigenen Bibliothek, die seit 2016 steht. Da werde ich mir noch etwas einfallen müssen.
Kleine Bibliotheken bzw. #Littlefreelibray s habe ich in Norwegen während unserer Familienferienfahrt leider nicht angetroffen, nur einmal eine Sammlung mit alten Büchern zum Mitnehmen in einem Leuchtturmmuseum, sonst nichts dergleichen, aber dafür etwas anderes: Lesekioske. Es war gar nicht so einfach, etwas darüber zu erfahren. Fündig wurde ich erst in diesen Tagen beim Verein Foreningen !les, dessen Informationen ich zum größten Teil übernommen habe.
Was ist ein Lesekiosk? Haben wir uns auch gefragt. Zumal wir immer wieder darüber gestolpert sind und in den Büchern stöbern konnten. Rätsel gelöst: Es sind alte Telefonzellen und anscheinend noch funktionstüchtig, aber gleichzeitig sind sie als Lesekioske umgewidmet worden und besitzen ein einheitliches Design, werden betreut und sogar gewartet bzw. vor Vandalismus geschützt. Wow! Wie kommt das?
Lesekiosk Nr. 19 in Bergen
Foreningen !les, ein gemeinnütziger Verein, der 1997 zu Zwecken der Leseförderung gegründet wurde, koordiniert das Projekt Lesekioske. Es ist ein nationales Literaturvermittlungsprojekt, das von der Sparebankstiftelsen DNB unterstützt wird. Lt. Verein besteht das Projekt darin, 100 geschützte Telefonzellen mit Büchern zu füllen, um Literatur und gute Leseerlebnisse leichter zugänglich und für jeden erreichbar zu machen. Dazu haben die Sparebankstiftelsen DNB und die Telenor Eiendom Holding AS am 12. September 2019 einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Das Projekt ist somit sehr jung. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Sparebankstiftelsen DNB für die nächsten zehn Jahre die Verantwortung für die Telefonzellen übernimmt. Dazu gibt es auch Wartungsverträge zur Sanierung der Telefonzellen und zur Umgestaltung als Lesestationen. Schäden können per E-Mail an die Wartungsfirma gemeldet werden.
Für das Projekt ist der Verein Foreningen!Les auf lokale Partner angewiesen. Dazu eigenen sich in erster Linie öffentliche Bibliotheken, die sich in der Nähe befinden. Fehlen diese, bieten sich auch andere lokale Organisationen, Wohltätigkeitsorganisationen, Buchhandlungen oder begeisterte Einzelpersonen an, am besten in Zusammenarbeit mit einer Bibliothek. Die Telefonzellen werden renoviert und mit Bücherregalen, einem Schild und einer Acrylplatte zur Dekoration ausgestattet, die auch als Wetter- und Windschutz für die Bücher dient. Der Partner vor Ort nimmt Bücher entgegen und stellt sie im Lesekiosk ab und organisiert eine offizielle Eröffnung, zu der die Medien eingeladen werden. Darüber hinaus verpflichtet sich der Partner, den Kiosk im Auge zu behalten, ggf. Bücher aufzufüllen und bei Vandalismus am Kiosk die Wartungsfirma zu informieren. Am 12. Dezember 2019 wurde der erste Lesekiosk von der damaligen Kulturministerin Trine Skei Grande (V) und der Nationalbibliothekarin Aslak Sira Myhre im Solli Plass in Oslo offiziell eröffnet. Inzwischen gibt es lt. den Informationen von Foreningen !les 112 Lesekioske in Norwegen. Diese sind über das ganze Land verteilt.
Wenn ein neuer Buchladen aufmacht, gerade in dieser schweren Zeit, ist das ein Grund zur Freude! Ein großer Grund zur Freude! Wir sprechen heute über das „Kohsie“, vielleicht von engl. „cozy“ (= gemütlich, heimlig) in der Kleinen Marktstraße 7, das seit dem 16. April geöffnet hat. Ist das also ein hyggeliges Buchparadies in Halle? Schaut ganz so aus!
Kohsie-Eingang in der Kleinen Marktstraße 7.
Ich bin nicht als Fachbesucher gekommen, dazu bin ich auch schon zu lange aus dem Buchhandel raus. Aber ich denke, wenn ich mit den Augen meiner alten Chefin, nennen wir sie Frau Glocke, durch den Laden gegangen wäre, hätte sie ein, zwei Dinge zu nörgeln gehabt. Diese sind mir natürlich auch aufgefallen. Aber davon wollen wir nicht reden. Was Frau Glocke aber gefallen hätte, dass wäre das geschmackvolle Ambiente gewesen. Für einen kleinen Buchladen ist der Raum wirklich ideal: Es gibt ein unteren Teil mit Sitzgelegenheiten und Wohnzimmeratmosphäre, eine Treppe führt hinauf, es folgt der eigentliche Laden mit Buchregalen und Auslagen fast wie auf einer Galerie und der zweite Eingang ist als Ausgang in Coronazeiten natürlich wichtig. Der ersten Eindruck ist als hell, gemütlich, die Begrüßung als herzlich zu beschreiben. Das Besondere am Kohsie ist aber nicht nur das Ambiente, sondern auch sein Programm: Der Laden möchte Bücher „ausnahmslos weiblicher und diverser Autor*innen aller Kontinente im festen Sortiment“ anbieten. Gab es das nicht schon einmal?
Ein Blick ins Kohsie, im Hintergrund Sarah Lutzemann.
Ein Frauenbuchladen also? Da kommen Erinnerungen bei mir ans Tageslicht. Mit einem feministischen Buchladen aus der 68er-Bewegung und seinen grimmigen Besitzerinnen, die jeden Mann, wenn er überhaupt hinein durfte, wie einen potentiellen Vergewaltiger angeschaut haben, würde ich den neuen Buchladen nun wirklich nicht vergleichen wollen. Das Kohsie und seine beiden Betreiber haben Charme. Dies wäre etwas, was die grimmige Frauenbuchhändlerin von einst, nennen wir sie Frau Weißer, nun wirklich nicht haben wollte. Mit den Frauenbuchläden alter Zeit, von denen einige heute noch existieren, hat das Kohsie nichts zu tun. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie sich einer derartigen Traditionslinie überhaupt bewußt sind. Denn hier ist nicht die feministische Gesamtgrundhaltung ausschlaggebend gewesen, sondern die immer noch vorhandene Dominz von männlichen Autoren in Literaturkanons und in den Auslagen von Buchhandlungen. Sarah Lutzemann vom Kohsie möchte keinesfalls männliche Literatur ausschließen, die kann auch bei ihr bestellt werden, aber der Laden soll ausschließlich weiblichen und diversen Autorinnen vorbehalten bleiben, denn sie „hat selbst erst vor ein paar Jahren entdeckt, wie vielfältig weibliche und diverse Literatur wirklich ist und wie wenig Aufmerksamkeit ihr im Gegenzug auf dem Buchmarkt und in der öffentlichen Wahrnehmung geschenkt wird. Es kostet allerdings erheblich Mühe und Aufwand, die Vielfalt dieser Literatur zu finden und die entsprechenden Bücher zu beschaffen. Das hat in uns den Wunsch geweckt, es anderen Leser:innen leichter zu machen, diese Welt zu entdecken.“
Auch Jane Austen findet ihr im Kohsie. Foto: Kohsie
Es ist also ein Buchentdeckungs-, ein Stöberladen für weibliche und diverse Literatur, gemütlich und freundlich. Ich fand so schöne bekannte Sache wie z.B. „Schamlos“, Lisa Aisatos „Alle Farben des Lebens“ und wundervolle Jane-Austen-Ausgaben. Aber es überwog das Unbekannte, die Bücherentdeckungsreise. So fand ich meinen ersten afrodeutschen Heimatkrimi von Noah Sow, der natürlich gleich mitgenommen wurde. Es ist eine Buchhandlung, die nicht kämpfen oder ausschließen möchte, sondern im Gegenteil etwas ans Licht holen möchte, die weibliche Seite der Literatur, die viel zu lange im Schatten gelegen hat. Diesem Unternehmen wünsche ich viel Erfolg!
Text und Fotos, wenn nicht anders angegeben: To. Kreutzfeldt
Auf die Idee mit den Shelfies (Shelf=Regal + Selfie=Selbstportrait) haben mich die kanadischen Kollegen von der RutledgeParkLFL gebracht und das fand ich so charmant, dass ich diesen Sommer (der Pandemie) auch einige Shelfies von unserer kleinen Gutsbibliothek gemacht habe.
Im Juni sah es so aus:
Der Juli:
August:
Und zum Schluß ein Spätsommer-Shelfie aus dem September:
Liebe Freunde der kleinen Tauschbibliotheken, der Littelfreelibrarys, und besonders unserer kleinen Gutsbibliothek
Wir hoffen, dass Ihr Eure geistige und körperliche Gesundheit während der Corona-Pandemie und der Kontaktsperre aufrecht erhalten könnt.
Wie ist nun mit kleinen Tauschbibliothek in Zeiten von Corona bzw. Covid-19? Wie Ihr wisst, sind wir Leute, die kleine freie Bibliotheken unterstützen, wir sammeln gespendete Bücher und bestücken die kleinen Bibliotheken (LFLs) mit neuen Büchern. Die Bibliotheken selbst gehören und werden betrieben von Organisationen oder – in den meisten Fällen! – von Personen, die sich dem Gemeinsinn verpflichtet füllen.
Während dieser Krisenzeit wollen wir natürlich die Unterstützung und die Benutzung von LFLs weiter ermöglichen. Wenn Ihr spazierengeht oder das Rad benutzet, ist die Benutzung einer kleinen Tauschbibliothek eine sichere Sache, wenn Ihr dabei die vorgeschriebenen Abstandsregeln beachtet: Zwei Meter oder zwei Armlängen von anderen. Bitte dran denken: Das Virus ist nicht von der Art, dass es durch die Haut zu Euch kommen kann. Das gilt auch, wenn ihr besorgt seid, etwas an der kleinen Bibliothek anzufassen oder ob die Bücher den Virus übertragen könnte. Wascht Eure Hände regelmäßig, faßt Euch nicht ins Gesicht, dann kann auch nichts passieren. Bücher können den Virus nicht übertragen!
Für die Betreuer von kleinen Tauschbibliotheken ist es es eine tolle Zeit, die LFLs regelmäßig mit Büchern zu bestücken und sie zu pflegen. Unsere kleine Gutsbibliothek wird daher auch in Corona-Zeiten weiter offen bleiben. Aber wir verstehen auch Leute, die ihre Bibliothek jetzt lieber schließen wollen. Dann aber bitte alle Bücher herausnehmen und einen Hinweiszettel für die Benutzer hinterlegen!
Und noch ein wichtiger Hinweis: Wenn ihr krank seid oder in Quarantäne, bitte tauscht oder nutzt Bücher nicht in Eurer kleinen Bibliothek bis ihr frei von Symptomen seid.
Unsere kanadischen Freunde werden ein schönes LFL-Picknick veranstalten, wenn alles überstanden ist. Wir können dann nur virtuell daran teilnehmen, aber wer weiß?
Und hiermit herzlichen Dank an alle Besitzer oder Betreuer von kleinen Tauschbibliotheken weltweit. Bleibt gesund und lebt lange und in Frieden!