Kleinkram

Warum ich nicht zur (Leipziger) Buchmesse fahre

Ja, warum eigentlich nicht? Ich liebe Bücher, ich lebe mit Büchern, ich lese Bücher, ich habe sogar schon mal Bücher geschrieben. Ich arbeite in einer Bibliothek, in meiner Freizeit betreue ich drei kleine Bibliotheken und wir besitzen sogar im Cottage eine eigene Krimibibliothek. Zudem lebe ich keine Stunde von der (Leipziger) Buchmesse entfernt. Und trotzdem läßt mich die Buchmesse kalt. Warum aber kann mich das Buchfest in den Messehallen nicht locken? Einige persönliche Notizen:

Ja, ich weiß, wovon ich rede. Ich bin früher auf die Buchmesse gefahren. Das tat ich privat und auch einige Male als Journalist für eine Online-Zeitung. Ich weiß, wovon ich rede. Und es ist eine private Entscheidung. Denn natürlich ist es ein tolles Bücherfest und besonders die phantasievolle Welt der Cosplayer und der Mangas bringt viel Farbe auf die Messe. Schon dafür lohnt es sich, dorthin zu fahren. Auch wenn es eine Zeitlang schien, dass die Cosplayer gar nicht auf der Buchmesse erwünscht wären. Das hat sich zum Glück geändert (Hoffentlich bleibt das so). Warum fahre ich also nicht zur Buchmesse?

Menschen strömen herbei. Foto von mir.

Grund 1: Nie ist man so allein wie unter vielen Menschen! Nicht falsch verstehen. Der Erfolg einer Messe liest sich auch von der Anzahl der Besucher ab und es gibt auch ein wundervolles Begleitprogramm wie „Leipzig liest“ oder „Halle liest mit“. Es ist also schön, dass sich so viele Menschen auf der Buchmesse drängeln. Aber mich tötet es! Wenn ich kein festes Programm habe oder mich dort mit Menschen treffen möchte, fahre ich nicht mehr zur Buchmesse. Denn die Ruhe, Zeit und Gelegenheit zwischen Büchern zu schlendern, etwas Neues zu entdecken und Gespräche zu führen, fand ich nur höchst selten. Irgendwann nervte mich das Geschiebe in den Gängen und das Geschupse einfach nur noch. Von den vollen S-Bahnen zur Messe und zurück möchte ich lieber schweigen. Und die Corona-Gefahr besteht in Menschenansammlungen (und nicht nur dort) immer noch. Zudem mag ich es ohnehin nicht, wenn mir wildfremde Menschen zu nahe kommen. Aber es nicht nur dieser Stress, den ich erleide, der mich fern hält:

Grund 2: Überfluß tötet! Schlendern und Entdecken geht also schon wegen der vielen Menschen schlecht. Es ist aber auch einfach zu viel da. Das soll kein Vorwurf sein. Es ist toll. Aber nichts für mich. Mich tötet der Überfluss. Ich entdecke viel zu viel, stecke mir die Tasche voller Prospekte und Ankündigungen (Von denen ich keine jemals wieder anschaue, so ist zu vermuten) und gehe am Ende völlig wirr im Kopf nach Hause. Äußerst selten habe ich ein dort entdecktes Buch gekauft. Einen Plan machen? Ja, kann ich machen, aber in dem Fall weiß ich schon, was ich möchte und brauche nicht mehr zur Buchmesse zu fahren, oder? Und Autoren lese ich auch lieber, als sie in real zu treffen (s. Grund 4).

Grund 3: Viel Mediengetue, wenig Bücher! Natürlich gibt es viele Bücher, aber in der Kuppelhalle dominieren Fernsehsender und Zeitungen. Es gibt Lesungen, Interviews, ganze Sendungen werden hier für die Außenwelt produziert. Es ist eine Inszenierung der Buchmesse. Die Show möchte ich auch nicht kritisieren. Vermarktung ist wichtig. Wenn ich mir auch wünschen würde, dass nicht nur die Stars umschwärmt werden, sondern etwas für die kleinen Verlage und Autoren getan wird. Auch auf der Buchmesse gilt, wer am lautesten schreit, gewinnt. Leider kann man dabei nicht lesen…

Leipziger Buchmesse 2019, Foto von mir.

Grund 4: Lesungen sind manchmal echt fürchterlich! Es ist besser geworden, auf jeden Fall. Viele Autor/innen sind inzwischen zu halben Entertainern geworden. Es gibt auch viele Entdeckungen, die ich nicht missen möchte, z.B. den „Leipziger Lesekompass“, eine tolle Sache. Das ist ein Preis aus dem Kinder- und Jugendbuchbereich, der von Kindern und Jugendlichen vergeben wird. Mir gefällt, dass neben Kinderjury in der Erwachsenenjury auch eine Bibliothekarin bewertet. Bei Literaturpreisen sind Bibliothekar/innen oft nur selten zu finden, so meine Stichproben. Aber die Ergebnisse des Lesekompass, sofern ich nicht darüber berichten möchte, schaue ich mir lieber online an. Es gab bereits einige Male, da mich Autor/innenlesungen eher vom Kauf des Buches abgeschreckt haben, da ich merkte, wie unsympathisch die Autorin/ der Autor mir waren. Von der/dem soll ich etwas lesen? Ich muß gar nichts! Es fällt mir nach einer gelungenen/mißlungenen Vermarktungsshow schwer, das Werk/Buch noch vorurteilsfrei zu betrachten. So hat es mir eine Zeitlang die wunderschönen Gedichte von Sarah Kirsch verleidet, weil ich Frau Kirsch als verbitterte und völlig uncharmante Frau im Goetheinstitut in Jerusalem kennengelernt habe. Ich weiß, Lesungen sind für viele Autoren ein zweites Standbein, um zu überleben. Ich persönlich brauche das Buch, liebe das Buch, Autor/in dürfen gerne privat bleiben, egal wie viele Katzen, Ehepartner, Pferde, Häuser sie sich halten und egal wo und wie. Und wer als Autor unbedingt heraushängen läßt, dass er Bibliotheken verachtet, wie es die „Fairlesen“-Initiative getan hat, braucht mich als Leser ohnehin nicht.

Grund 5: Ich muß keine Geschäfte machen! Ich kann, aber ich muß die Buchmesse nicht beruflich besuchen. Das ist ein großer Vorteil. Vielen kleinen Verlagen und Autor/innen, deren Besuch sich lohnen würde, tue ich damit Unrecht, ich weiß. Doch für mich ist die Buchmesse etwas, dass ich mit Interesse aus der Ferne betrachten kann. Und aus der Ferne besehen, ist vieles schön. Mein Job hängt davon schon lange nicht mehr ab. Im Gegenteil! Inzwischen hat sich der Börsenverein des Deutchen Buchhandels zusammen mit vielen Star-Autor/innen als Verachter/innen von Bibliotheken und Bildung geoutet (s. „Fairlesen“). Kurz: Es geht ums Geschäft. Das ist in Ordnung. Und es wurde deutlich zur Sprache gebracht. Aber dann jammert mich bitte nicht an! Denn ich bin kein Teil davon. Ich bin der Vielkäufer und Vielleser, den ihr damit verärgert habt und dem ihr klargemacht habt, dass er euch egal ist. Allerdings kann ich mir aussuchen, was und wen ich lese. Wenn Eure Neuheiten mich ankotzen, habe ich noch sehr, sehr viel „Altes“ zu lesen. Und ich liebe alles daran, denn ich bin nur ein einfacher „Booklover“ und bleibe deswegen Zuhause.

Eine schöne Buchmesse wünsche ich trotzdem.

Euer Bibliothekar der freien Gutsbibliothek, Text und alle Fotos von mir.