Lesestoff

Bibliothekar/innen im Roman

Bibliothekarinnen und Bibliothekare spielen in deutschen Romanen (Filmen u. Fernsehserien) keine große Rolle, im angelsächsischen Raum ist das anders. So ist es kein Wunder, dass meine kleine Auswahl an Romanen über die Leute, die Bibliotheken betreuen, entweder im englischen Original oder in Übersetzung von mir gelesen worden sind.

Beginnen wir mit dem „Titelbuch: Sehr geheimnisvoll war die mysteriöse Bibliothek und der dazugehörige Bibliothekar, die in „The Night Bookmobile“, wiederum von Audrey Niffenegger eine Rolle spielen. In einer schlaflosen Nacht begegnet Alexandra auf der Straße dem Night Bookmobile und dies wird ihr Leben verändern. Eine wundervolle Graphic Novel über die Liebe zu Büchern und die möglichen Folgen! Ich werde es noch mehrmals lesen (wollen).

In Amy und die Schließfachbibliothek“ von Alan Gratz, ein Jugendbuch, das das Thema der „gebannten Bücher“ in Schulbibliotheken in den USA behandelt, spielt eine sehr engagierte Bibliothekarin mit. Aber auch diese kann nichts gegen das Bannen von Büchern in der Schulbibliothek tun. Deswegen eröffnen Amy und ihre Freunde eine eigene Bibliothek mit den gebannten Büchern in ihren Schulschließfächern. Das gibt natürlich Ärger, aber am Ende wendet sich in dem Jugendbuch alles zum Guten. Amy und ihre Schließfachbibliothek ist inzwischen auch in einigen Bundesstaaten der USA verboten worden. Unglaublich! Ein Zitat aus dem Buch: „Gute Bücher sollten nicht von Kindern ferngehalten werden. Sie sollten so oft wie möglich und von so vielen Kindern wie möglich gelesen werden…alle Bücher sollten gelesen werden.“

Von einer Bibliothekarin und ihren Buchempfehlungen handelt „Frau Komachi empfiehlt ein Buch“ von Michiko Aoyama. Das Buch ist kein Roman, es werden Episoden aneinander gereiht, deren Bindeglied lediglich die Bibliothek von Frau Komachi und ihre Buchtipps sind. Über Frau Komachi selbst erfahren wir nur wenig, aber die Bücher, die sie ihren Lesern empfiehlt, verändern deren Leben. Ein ist ein Buch, das ,trotz oder gerade wegen der Episodenhaftigkeit, einfach glücklich macht (so wie Bibliotheken)!

Das Buchmaultier von Córdoba“ von Wilfrid Lupano, eine Graphic Novel, gehört natürlich auch in dieser Auflistung. Die Vernichtung der Bibliotheken von Córdoba durch Al-Mansur, der sich dadurch eine Unterstützung der islamischen Geistlichkeit für seine geplanten Kriege erhoffte, wird beispielhaft durch die Figuren Tarid, Eunuch und Bibliothekar, der Kopistin Lubna (eine hist. Figur, beispielhaft für die 170 weiblichen Kopistinnen der Bibliothekeken der Kalifatshauptstadt), dem Dieb Marwan und eben dem Maultier, dass die wenigen geretteten Bücher tragen soll, erzählt. Am Ende wird diese kleine Gruppe inkl. der Bücher von unerwarteter Seite gerettet. Trotz einiger Schwächen, was hist. Kleidung etc. betrifft (besonders die Wikinger sind schlecht und was raucht die Wache auf den Mauern von Córdoba?), ein wundervolles Werk über einen Teil der Geschichte, das in Medien und Geschichtsunterricht viel zu kurz kommt: Die gezielte Vernichtung von Wissen (also Bibliotheken) durch Fanatiker und gewissenlose Politiker. Eine der besten und kürzesten Darstellung der Geschichte des islamischen Spaniens ist übrigens das Nachwort von Pascal Buresi im „Büchermaultier“ und das gibt es umsonst obendrauf. Selten so etwas Gutes über die Geschichte von Al Andalus gelesen wie diesen Text.

Gleich zwei Bibliothekarinnen spielen in Kate Thompsons „Die Bibliothek der Hoffnung“ mit. Dieser Roman von der U-Bahn-Tunnelbibliothek im II. Weltkrieg, nach einer wahren Geschichte, ist eine einzigartige Liebeserklärung an alle Bibliothekarinnen und Bibliothekaren und anders, als das etwas kitschige Coverbild befürchten ließ, sogar sehr gut geschrieben und umgesetzt. Völlig entflammt bin ich von den vielen wundervollen Zitaten, die jedem Kapitel voran gestellt wurden.

Bild von Sarah Beth Durst

In „Spellshop“ von Sarah Beth Durst, einem Cozy-Fantasy-Roman, arbeiten Kiela und ihr Assistent Caz, eine magische Pflanze, in der großen Bibliothek des Inselkönigreichs, als eine Revolution ausbricht und die Bibliothek in Flammen aufgeht. Kiela und Caz können sich mit wenigen Kisten magischer Bücher retten und segeln zu der abgelegenden Heimatinsel von Kiela und ziehen sich dort in das Haus der verstorbenen Eltern zurück. Aber ihre Ankunft bleibt nicht unbemerkt. Können Sie dort heimisch werden? Und was hat Marmelade damit zu tun? Auf jeden Fall ein Buch zum Wohlfühlen, in dem niemand so richtig böse ist, naja, fast niemand…!

Das Bibliothekarinnen nicht nur gute Hauptpersonen, sondern auch hervoragende Sidekicks abgeben, zeigt das nächste Buch: Die Idee, die hinter „Murder at the bookstore“ von Sue Minix steckt, nämlich eine Krimiautorin in einen realen Krimi zu plazieren, ist nicht neu, wird aber von der Autorin sehr charmant und spannend umgesetzt. Tatsächlich ist dies der 1. Band einer ganzen „bookstore mystery serie“, die es leider nicht auf deutsch gibt. Von den Abenteuern der Autorin und Detektivin Jen Dawson gibt es inzwischen 6 Bände. Im ersten Band muss Jen den Mord an ihrer Freundin, der Buchhändlerin Aletha, aufklären und erhält dazu Hilfe von Russel, Alethas Angestellter, und von Brittany, der Bibliothekarin. War Tim, Alethas Ehemann, der Mörder?

In „Wie unsichtbare Funken“ von Elle McNicoll spielt der Bibliothekar Mr. Allison zwar nur eine Nebenrolle, aber eine wichtige. Kurz zum Inhalt: Addie, ein Mädchen aus Schottland ist etwas anders als ihre Mitschüler/innen. Genauso wie eine ihrer Schwestern ist sie Autistin. Sie kann einige Dinge besonders gut, andere nicht und ist auch nicht unbedingt alltagstauglich. Das wird eindrucksvoll geschildert. Als Addie von den Hexenverfolgungen in ihrem schott. Heimatort hört, beschließt sie, dass es einen Gedenkort für die Opfer, unschuldige Frauen und evt. genauso wie sie, geben muß. Der Gemeinderat sieht es anders, aber Addie ist niemand, die leicht aufgibt.

Auch in Bilderbüchern können Bibliothekare mitspielen: Tara Luebbe, Becky Cattie und Illustratorin Victoria Maderna erzählen in „Ronan, the Librarian“ die Geschichte des Barbaren Ronan, der plötzlich seine Leidenschaft für Bücher und das Lesen entdeckt und sogar eine Bibliothek gründet. Was aber sagen seine Mitbarbaren dazu? Ein Bilderbuch, an dem sich auch „Große“ sehr erfreuen können.

In Buch von Rebecca Stead und Wendy Mass, „The Lost Library“, spielen eine kleine Bibliothek, eine Katze und eine verschwundene Stadtbibliothek mit, da schlug das Bibliothekarsherz gleich höher. Und da die Handlung auch noch höchst charmant und die Auflösung sogar sehr spannend war, wenn auch nicht ganz schlüssig, was die Hauptfigur AL betraf, konnte ich nicht aufhören zu lesen, bis die letzte Seite erreicht war. Schöneres Kompliment kann einem Buch doch nicht gemacht werden, oder?

Beenden möchte ich diese rein persönliche und zufällige Aufzählung wiederum mit einem Buch von der Künstlerin und Schriftstellerin Audrey Niffenegger. Einer der seltsamsten Bibliothekare ist der Zeitreisende Henry DeTamble, ein Mitarbeiter der Newberry Library in Chicago. Es ist die Geschichte der unmöglichen Liebe zu seiner Frau Clare Anne Abshire, die beiden nur Traurigkeit und Unglück bringt, der Henry immer wieder und spontan durch einen Gendefekt durch die Zeit reist. Für die deutsche Nacherzählung auf Wikipedia wird nicht einmal erwähnt, dass Henry Bibliothekar ist, obwohl Niffenegger sehr viele fachkundige Schilderungen von seinem Arbeitsalltag in ihrem Roman untergebracht hat.

Für die deutsche Literatur sind Bibliothekarinnen und Bibliothekare, könnte fast angenommen werden, keine Geschichte wert. Tatsächlich sind alle aufgeführten Bücher nicht aus dem deutschen Sprachraum. Die Liste wird bei Gelegenheit ergänzt. Vielleicht findet sich doch noch eine deutsche Bibliothekarin oder ein Bibliothekar.

Euer Bibliothekar der kleinen Gutsbibliothek

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