Wenn ein neuer Buchladen aufmacht, gerade in dieser schweren Zeit, ist das ein Grund zur Freude! Ein großer Grund zur Freude! Wir sprechen heute über das „Kohsie“, vielleicht von engl. „cozy“ (= gemütlich, heimlig) in der Kleinen Marktstraße 7, das seit dem 16. April geöffnet hat. Ist das also ein hyggeliges Buchparadies in Halle? Schaut ganz so aus!
Ich bin nicht als Fachbesucher gekommen, dazu bin ich auch schon zu lange aus dem Buchhandel raus. Aber ich denke, wenn ich mit den Augen meiner alten Chefin, nennen wir sie Frau Glocke, durch den Laden gegangen wäre, hätte sie ein, zwei Dinge zu nörgeln gehabt. Diese sind mir natürlich auch aufgefallen. Aber davon wollen wir nicht reden. Was Frau Glocke aber gefallen hätte, dass wäre das geschmackvolle Ambiente gewesen. Für einen kleinen Buchladen ist der Raum wirklich ideal: Es gibt ein unteren Teil mit Sitzgelegenheiten und Wohnzimmeratmosphäre, eine Treppe führt hinauf, es folgt der eigentliche Laden mit Buchregalen und Auslagen fast wie auf einer Galerie und der zweite Eingang ist als Ausgang in Coronazeiten natürlich wichtig. Der ersten Eindruck ist als hell, gemütlich, die Begrüßung als herzlich zu beschreiben. Das Besondere am Kohsie ist aber nicht nur das Ambiente, sondern auch sein Programm: Der Laden möchte Bücher „ausnahmslos weiblicher und diverser Autor*innen aller Kontinente im festen Sortiment“ anbieten. Gab es das nicht schon einmal?
Ein Frauenbuchladen also? Da kommen Erinnerungen bei mir ans Tageslicht. Mit einem feministischen Buchladen aus der 68er-Bewegung und seinen grimmigen Besitzerinnen, die jeden Mann, wenn er überhaupt hinein durfte, wie einen potentiellen Vergewaltiger angeschaut haben, würde ich den neuen Buchladen nun wirklich nicht vergleichen wollen. Das Kohsie und seine beiden Betreiber haben Charme. Dies wäre etwas, was die grimmige Frauenbuchhändlerin von einst, nennen wir sie Frau Weißer, nun wirklich nicht haben wollte. Mit den Frauenbuchläden alter Zeit, von denen einige heute noch existieren, hat das Kohsie nichts zu tun. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie sich einer derartigen Traditionslinie überhaupt bewußt sind. Denn hier ist nicht die feministische Gesamtgrundhaltung ausschlaggebend gewesen, sondern die immer noch vorhandene Dominz von männlichen Autoren in Literaturkanons und in den Auslagen von Buchhandlungen. Sarah Lutzemann vom Kohsie möchte keinesfalls männliche Literatur ausschließen, die kann auch bei ihr bestellt werden, aber der Laden soll ausschließlich weiblichen und diversen Autorinnen vorbehalten bleiben, denn sie „hat selbst erst vor ein paar Jahren entdeckt, wie vielfältig weibliche und diverse Literatur wirklich ist und wie wenig Aufmerksamkeit ihr im Gegenzug auf dem Buchmarkt und in der öffentlichen Wahrnehmung geschenkt wird. Es kostet allerdings erheblich Mühe und Aufwand, die Vielfalt dieser Literatur zu finden und die entsprechenden Bücher zu beschaffen. Das hat in uns den Wunsch geweckt, es anderen Leser:innen leichter zu machen, diese Welt zu entdecken.“
Es ist also ein Buchentdeckungs-, ein Stöberladen für weibliche und diverse Literatur, gemütlich und freundlich. Ich fand so schöne bekannte Sache wie z.B. „Schamlos“, Lisa Aisatos „Alle Farben des Lebens“ und wundervolle Jane-Austen-Ausgaben. Aber es überwog das Unbekannte, die Bücherentdeckungsreise. So fand ich meinen ersten afrodeutschen Heimatkrimi von Noah Sow, der natürlich gleich mitgenommen wurde. Es ist eine Buchhandlung, die nicht kämpfen oder ausschließen möchte, sondern im Gegenteil etwas ans Licht holen möchte, die weibliche Seite der Literatur, die viel zu lange im Schatten gelegen hat. Diesem Unternehmen wünsche ich viel Erfolg!
Text und Fotos, wenn nicht anders angegeben: To. Kreutzfeldt